Mittwoch, 14. Dezember 2022
„Wasch mir den Pelz – aber mach mich nicht nass“. (Volksmund)
Weil er es kann – so kann man vielleicht die Frage beantworten, warum Bezirksbürgermeister Horst Wisotzki heute noch einmal die komplette BV Haspe zu einer Sondersitzung einbestellt hat. Um 13 Uhr – eine Traumzeit für Berufstätige. Und so reisten also 12 der 13 BV-Mitglieder, ein Dezernent, ein weiterer Verwaltungsmitarbeiter, die beiden Mitarbeitenden aus der Hasper Bezirksverwaltungsstelle, ein Ratsmitglied und zwei Bürger im Rathaus an der Volme an – im Christian-Rohlfs-Gymnasium war um diese Uhrzeit noch Unterricht. Bei mir dauerte die Anreise deutlich länger als die Sitzung – denn nach 15 Minuten war der Spuk schon wieder vorbei. Und das kam so…
Mit dem Beschluss, die Entscheidung über die geplante Radfahrquerung an der Kohlenbahn (Vorlage 0731/2022 vom 24.11.2022) an den Ausschuss für Umwelt-, Klimaschutz und Mobilität (UKM) zu übertragen, war der Bezirksbürgermeister nicht zufrieden, das ließ er schon in der November-Sitzung der BV Haspe verlauten. Er werde von seinem Recht Gebrauch machen, juristisch prüfen zu lassen, ob diese geplante Maßnahme zur Verbesserung des Radverkehrs in Hagen nicht eigentlich eine lokale Angelegenheit sei.
Einschub: Die Gemeindeordnung des Landes NRW regelt, welche Aufgaben Bezirksvertretungen haben – kann man hier nachlesen: Aufgaben der Bezirksvertretungen
in den kreisfreien Städten (Recht NRW).
Natürlich gibt es eine Vorgeschichte dazu: Ursprünglich hatte die Verwaltung – schon 2021 – der BV Haspe verschiedene Vorschläge unterbreitet, wie das Radfahren im Stadtteil Haspe attraktiver werden könnte. Neben einer Maßnahme an der Martinstraße, die in der Zwischenzeit realisiert wurde, schlug der damals noch aktive Verkehrsplaner Jörg Winkler eben diese Radwegquerung an der Kohlenbahn (Vorlage 1077/2022 und 1077-1/2020) vor. Und verzweifelte regelrecht an der Vehemenz, mit der einige BV-Vertreter und auch ein anwesendes Ratsmitglied verhindern wollten, dass den Autofahrern dort nicht nur die Vorfahrt entzogen, sondern sie auch zu Tempo 30 genötigt werden sollten.
Nun hat sich in der Zwischenzeit der UKM des Themas angenommen, was mir einigermaßen sinnvoll erscheint: Die Attraktivität einer Stadt für RadfahrerInnen ergibt sich aus der Summe aller Radwege im Stadtgebiet, aus ihrer Qualität, aus der Sicherheit beim Radfahren, aus Abstellmöglichkeiten, Mitnahmemöglichkeiten in der S-Bahn, aus dem gleichberechtigten Miteinander aller Verkehrsteilnehmer*innen. Und solange das Radfahren auf der L700 so gefährlich bleibt, ist der Ennepe-Radweg die logische Route für alle, die von Hagen in Richtung Gevelsberg oder umgekehrt Radfahren wollen. Dass es sich dabei um ein „Puzzle“ mit einigen Versatzstücken handelt, das sich die heimischen Pedaleure zusammensuchen müssen, ist schlimm genug – daraus kann man aber doch jetzt nicht auch noch ableiten, dass es eigentlich ein Bezirksthema wäre.
Nun hatte der für Haspe zuständige Dezernent Sebastian Arlt schon vor der Sitzung das Rechtsamt der Stadt Hagen prüfen lassen, bei wem die Entscheidung wohl liegt – und überzeugte mit seinen Ausführungen die Mehrheit der BV-Mitglieder. Nach dem Schreiben des Bezirksbürgermeisters hatte dasselbe Rechtsamt nun zu prüfen, ob der Widerspruch formal korrekt eingereicht wurde. Ja, wurde er. Anschließend hatte nun heute die BV darüber abzustimmen, ob sie sich der Auffassung des Bezirksbürgermeisters anschließt: Nein, tut sie nicht. 7:5 Stimmen gegen den bezirksbürgermeisterlichen Widerspruch.
Jetzt könnte dieses leidige Thema eigentlich zu den Akten. Und man könnte versuchen, nicht weiter darüber nachzudenken, warum sich ein Bezirksbürgermeister in seinem Schreiben an den Oberbürgermeister dazu hinreißen lässt, ein einzelnes UKM-Mitglied namentlich hervorzuheben und politische Mitbewerber als „sogenannte Basisdemokraten“ zu verunglimpfen.
Doch erstens kann der Bezirksbürgermeister nun noch verlangen, dass der Rat über seinen Widerspruch entscheidet; und zweitens stellte sein Amtsvorgänger, Ex-BBM Dietmar Thieser, heute in Aussicht, die Angelegenheit vor das Verwaltungsgericht zu bringen. Warum nicht gleich nach Karlsruhe?!? Oder vor den EuGH? Mir scheint, ich habe die Bedeutung dieser 30 Meter Straße bisher deutlich unterschätzt…
Übrigens: Mehrfach behauptete der Bezirksbürgermeister in seinen Ausführungen, auch heute wieder, die Ablehnung des Vorschlags erfolge „…hauptsächlich zum Schutz der Fußgänger*innen und der Schulwegsicherung…“. Es dient also der Sicherheit der Schulkinder, wenn Lkw ungebremst mit Tempo 50 die Kohlenbahn herunterfahren dürfen? Und es gefährdet sie, wenn die Fahrzeuge abbremsen und Tempo 30 fahren müssen??? Diese Logik erschließt sich mir leider nicht. Aber ich bin ja auch noch neu hier…
Fazit des Tages:
Wasch mir den Pelz – aber mach mich nicht nass! Wie will man das vom Rat der Stadt Hagen beschlossene Radwegeverkehrskonzept jemals umsetzen, wenn jeder einzelne Vorschlag am Widerstand in den Bezirken scheitern kann? Der dicke Katalog mit Maßnahmen für knapp 20 Millionen Euro bleibt ein Staubfänger aus Papier, wenn in den Stadtteilen auf jeden Unternehmer, dessen Lkw zum langsameren Fahren genötigt werden, und auf jeden schimpfenden Autofahrer Rücksicht genommen wird. Angeblich wollen doch alle die Mobilitätswende – aber doch bitte nicht vor der eigenen Haustüre…? So wird das nichts. ☹
Nicole Schneidmüller-Gaiser