BV Haspe – Bericht vom 20. Oktober 2022

Samstag, 22. Oktober 2022

„Herr, schenke mir Geduld. Aber ein bisschen plötzlich!“

Fragt man Lieschen Müller oder Otto Normalverbraucher, so hoffen die vermutlich, dass sich in den BVen Menschen damit beschäftigen, den Alltag im Stadtteil zu verbessern. Und ganz ehrlich: Das dachte ich auch. Bis ich vor ziemlich genau zwei Jahren Mitglied in der BV Haspe wurde. Schauen wir uns mal die jüngste BV-Sitzung an. Und dann bewertet gerne selber, was Poltikerinnen und Politiker auf BV-Ebene überhaupt tun können…

 

„Nach der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ist für jeden Stadtbezirk eine Bezirksvertretung als politisches Gremium einzurichten(..). Die Bezirksvertretung ist das gewählte Parlament des jeweiligen Stadtbezirkes. (…)

Sie ist für zahlreiche lokale Belange unmittelbar zuständig und darüber hinaus an bezirksübergreifenden Entscheidungen des Rates der Stadt beteiligt (…) In der Bezirksvertretung werden Anträge der Stadt, des Bezirkes, der Parteien, aber auch Anträge einzelner Bürgerinnen und Bürger bzw. Institutionen behandelt und entschieden…“

 

So steht es sinngemäß in der Gemeindeordnung des Landes NRW.

 

Die Tagesordnung für die Oktober-Sitzung der BV Haspe ist überschaubar. Die Themen sind nicht spektakulär – eine Mischung aus Anfragen, die die Parteien neu stellen, solchen, die sie auf ihrer Wiedervorlage haben und bei denen sie immer mal wieder nachfragen – und Themen, die in der Beratungsfolge durch verschiedene Gremien automatisch bei uns landen. Das sind Themen, die durch die Verwaltung vorbereitet werden – oft gibt es dicke Stapel Vorlagen dazu.

Und weil wir alle ehrenamtliche Laien sind, die sich hier in der Gremienarbeit mit sozialen, juristischen, wirtschaftlichen, ökologischen, baurechtlichen, sportlichen oder gesundheitlichen Themen beschäftigen müssen, schickt die Verwaltung ihre Fachleute in die Sitzung, die Fragen beantworten und Sachverhalte erläutern sollen.

 

Soweit die Theorie.

Ganz praktisch gibt es einige wenige Verwaltungsmenschen, die regelmäßig auftauchen und Rede und Antwort stehen. Die anderen – finden vielleicht den Weg nach Haspe nicht…

 

In der gestrigen Sitzung saß – wie immer – der für Haspe derzeit noch zuständige Dezernent, Sebastian Arlt. Zum Verständnis: Dass zumindest ein Dezernent an der BV-Sitzung teilnimmt, ist Minimalstandard. Die vier Hagener Beigeordneten haben sich die Bezirke aufgeteilt. Sebastian Arlt ist in Haspe gern gesehen, er ist ausgeglichen, freundlich, bemüht sich darum, das Handeln der Verwaltung verständlich zu erklären. Und er steckt auch die Prügel ein für Bereiche, mit denen er gar nichts zu tun hat.

 

Schauen wir auf die Tagesordnung. Ein Großteil der Punkte ist inhaltlich dem Vorstandsbereich 5 (Stadtentwicklung, Bauen und Sport) zuzuordnen. Den leitet Arlts Kollege Henning Keune. Ob der seinen Mitarbeitenden Überstunden verboten hat? Oder Dienstreisen ins ferne Haspe? Und legt eigentlich der Chef fest, wann welche Anfrage bearbeitet wird  – oder entscheidet jeder Sachbearbeiter eigenständig, dass man sich damit doch auch bis nach der BV-Sitzung Zeit lassen kann?

Nun hatte also Arlt die undankbare Aufgabe, ein ums andere Mal zu erklären, dass Antworten auf Anfragen leider (noch) gar nicht oder nur in so dürren Worten vorliegen, dass man damit als Politiker*in draußen, in der realen Welt, kaum bestehen kann, wenn man beim Bäcker oder auf dem Sportplatz vom Wählenden befragt wird.

 

Keine oder dürre Antworten

So war die Sitzung dann zwar schon nach knappen zwei Stunden vorbei – doch um den Preis, dass es zum Neubau des bereits seit 2019 geforderten Pavillons an der Grundschule Hestert (TOP 4.1.), und zum Straßen- und Wegekonzept (TOP 4.3.) gar keine Antworten gab und eine Anfrage zum Thema Weihnachtsbeleuchtung (TOP 4.2.) ausweichend mit Verweis auf einen – nicht anwesenden – Arbeitskreis beantwortet wurde.

Wie soll man den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln, warum ihre gewählten Volksvertreter nicht mal sagen können, wann welche Straße im Stadtteil saniert wird und wann die Weihnachtsbeleuchtung in der Fußgängerzone abends ausgestellt werden soll…? Wer würde denn glauben, dass da 13 ehrenamtliche Politiker*innen regelmäßig zusammenkommen, aber ein ums andere Mal vertröstet werden  – weil das Gegenüber aus der Verwaltung fehlt?

Dafür durften wir noch einmal lesen und hören, dass das Pilotprojekt zur Einführung von E-Tretrollern (TOP 3.1.) positiv bewertet wurde; nun soll geprüft werden, ob in Haspe auch E-Bikes, Lastenfahrräder oder Pedelecs im Verleihsystem eingeführt werden könnte. Papier hin. Papier her. Konkreter wird es nicht.

 

Hilflosigkeit mit System?

Ein „Dauerbrenner“ in der BV Haspe ist ein Grundstück in der Straße „Schlackenmühle“ (TOP 5.2.). Rund um den Hof eines Gebrauchtwagenhändlers findet tagtäglich reger (Auto-)Verkehr statt – Lastwagen kommen und fahren, werden ab- und neu beladen. Und weil´s bequemer ist, passiert das nicht auf dem Hof, auf dem es zu diesem Zwecke sogar einen Ladestreifen gäbe, sondern vor dem Grundstück, mal auf dem Bürgersteig, mal auf der Straße. Ungeachtet des absoluten Halteverbotes, das regelmäßig missachtet wird. Fußgänger*innen, Radfahrer*innen oder auch Menschen mit Behinderung, die in der benachbarten Caritas-Werkstatt arbeiten, haben das Nachsehen – denn der Bürgersteig wird rücksichtslos zugeparkt. Darüber ärgert sich allen voran CDU-Mann Gerd Romberg schon seit mindestens 2018, und fragt hartnäckig immer wieder nach, wie lange sich Verwaltung und Ordnungsbehörden hier noch auf der Nase herumtanzen lassen wollen.

Unter dem Suchbegriff „Schlackenmühle“ spuckt die Volltextsuche im Allris die Liste der schieren Hilflosigkeit lokaler Politiker*innen aus: Alle wissen, was in der Schlackenmühle passiert, dass Gesetze aus Rücksichtslosigkeit oder Bequemlichkeit missachtet werden – und doch passiert nichts. Und das – offenbart auch die Phantasielosigkeit einer Verwaltung, der das Thema offensichtlich nicht gerade am Herzen liegt, sondern an einem anderen Körperteil vorbei geht. In der nunmehr mindestens achten Neuauflage des TOP „Ladeverkehre in der Schlackenmühle“ sind es die genervten Politiker*innen, die schließlich vorschlagen, ein paar Poller in den Bürgersteig zu rammen, um wenigstens dort das Parken unmöglich zu machen. To be continued…

 

Die „Beratungsfolge“…

Tagesordnungspunkte, bei denen die BV „in der Beratungsfolge“ vorkommt, haben wir vor Ort meistens nur zur Kenntnis zu nehmen. So habe ich zum TOP 7.1. „Betrauung des Wirtschaftsbetriebs Hagen AöR) zwar jede Menge Fragen und Bedenken – doch auf die Zukunft des WBH hat das keinerlei Einfluss. Am 10. November wird der Rat der Stadt die Betrauung des WBH beschließen, das scheint doch ziemlich sicher – und ich werde in Zukunft vermutlich noch weniger Antworten auf meine Fragen bekommen, wann denn z.B. mal die Radwege im Stadtgebiet vom Laub befreit, warum Büsche in der Vegetationszeit entfernt, Bäume gefällt und warum Freiflächen nicht ökologisch hochwertig gestaltet werden.

Immerhin kann ich – wie schon die BVen Mitte und Eilpe-Dahl zuvor– einen Zusatzbeschluss einbringen: Es gibt einen Aufgabenkatalog, der die Grundlage für die Betrauung sein soll. Ob an alles gedacht wurde und ob man so arbeiten kann – das soll in einer 18monatigen Übergangszeit evaluiert werden. Der Zusatz ermöglicht nun, dass nicht das Ende der Evaluationszeit abgewartet werden muss, sondern dass man Verbesserungen sofort umsetzen kann.

 

„Und nun zum Spocht…“

Unter TOP 7.2., 7.3. und 7.4. geht es um den Sport. Aus diesem Fachbereich habe ich übrigens noch nie jamanden in der BV gesehen. In Hagen gibt es laut Stadtsportbund aktuell 188 Sportvereine, in denen 33.146 Menschen (Zum Protokoll der Jahreshauptversammlung 2022 geht es hier: www.ssb-hagen.de – In der Volltextsuche den Begriff „Mitglieder“ eingeben) aktiv sind. Zum Vergleich: Bei der Kommunalwahl 2020 gaben 59.742 Menschen ihre Stimme ab. Die Gruppe der Sportler*innen ist also für Politiker*innen, die gewählt werden wollen, durchaus interessant. Und darum setzen sie sich auch dann für ihre Interessen ein, wenn sie selber gar nicht soooo sportlich sind 😊

Die „Richtlinien zur Nutzung der städt. Sportanlagen“ (Vorlage 0511/2022) erregt – vor allem wegen der darin enthaltenen „Entgeltverordnung“ schon länger die Gemüter. Ich bin selber Sportlerin, seit meinem sechsten Lebensjahr Mitglied in Sportvereinen. Ich kenne kalte Duschen und muffige Umkleiden, mürrische Platzwarte und die wunderbare Aufregung, wenn in einem Stadion ein Wettkampf stattfindet.

Mein Bruder leitet die Fußballabteilung eines großen Hagener Sportvereins; mein Mann hat noch Schotter aus nahezu jedem Ascheplatz in NRW in seinen Knien. Die Frage, ob man nach zweieinhalb Jahren Pandemie die Vereine ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt stärker zur Kasse bitten sollte, wird also in meiner Familie durchaus mit Leidenschaft und Sachverstand diskutiert.

Als BV sollen wir den Beschluss, den der Rat am 10. November fassen will, durchwinken – es gibt gute Gründe, das nicht zu tun, da sind sich in der BV alle einig. Und so verschaffen wir uns durch einen „Antrag zur Geschäftsordung“ Luft und beantragen „1. Lesung“.

An dieser Stelle melde ich mich zu Wort, weil ich seit dem Wochenende aus dem Kopfschütteln nicht mehr herausgekommen bin. Denn die „Richtlinien zur Nutzung der städt. Sportanlagen“, formuliert im Servicezentrum Sport, haben einen „Hinweis vorab“, der da lautet:

 

„Aus Gründen der besseren Lesbarkeit des Dokuments wurde, sofern es sich nicht um Zitate handelt, auf die Schreibweise „-er/Innen“ verzichtet. Generell wurden stattdessen die Begriffe stets in der kürzeren, männlichen Schreibweise (z.B. Sportler) verwendet. An dieser Stelle wird mit Gültigkeit für alle Dokumente betont, dass dies als Synonym für die männliche und weibliche Form vereinfacht wurde und alle männlichen und weiblichen Personen gleichberechtigt angesprochen werden.“

 

Dieser Hinweis ist so schön, dass ich ihn Euch hervorgehoben, kursiv und auf jeden Fall freistehend schenken möchte. Er ist ja für sich genommen schon ein hervorragendes Beispiel für Lesefreundlichkeit. 😉

Nun mag es ja noch alte Haudegen im Sport geben, die sich in verqualmten Sportlerheimen Herrenwitze erzählen und die gendergerechte Sprache für „Gedöns“ halten. Die Mehrheit der Sportlerinnen und Sportler auch in Hagen ist aber im 21. Jahrhundert angekommen. Und in dieser Realität gibt es nicht den §4 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern des Landes NRW, sondern auch einen am 10.12.2020 einstimmig vom Rat der Stadt Hagen beschlossenen „Gleichstellungsplan 2020-2025.“  Wäre doch schön, wenn diese Selbstverpflichtung auch im Sport angewendet würde…

 

Zum Jahresende ist noch Geld in den „Bezirksbezogenen Mitteln“, und so können wir großzügig die Bitten des Arbeitskreises Hasper Adventsfest (TOP 6.2. – 1.000 Euro), der Realschule Haspe (TOP 6.3. – 2.000 Euro) und der Corbacher 20 (TOP 6.4. – 4.000 Euro)  erfüllen. Ich gönne jeder dieser Institutionen die Unterstützung – und frage mich dennoch, ob man die Möglichkeit, bei der zuständigen BV um Geld zu bitten, nicht noch viel bekannter machen müsste. Denn es sind doch immer dieselben Vereine und Gruppen, die sich melden und die dann unterstützt werden.

 

Fazit des Tages:

Ich ahne es schon länger: Das wichtigste Handwerkszeug in der Lokalpolitik ist die Wiedervorlage. Und wer wie ich in seinem Leben gemeinsam mit Gleichgesinnten schon oft in kurzer Zeit viel Konkretes erreicht hat, der braucht Geduld, Gelassenheit – und eine gewisse Leidensfähigkeit.

 

Nicole Schneidmüller-Gaiser

 

Nachtrag:

Ich will nicht jammern. Nicht darüber, dass ich plötzlich von manchen Bürger*innen, vornehmlich solchen, die sich in Sozialen Medien tummeln und dort vor allem wortgewaltig, aber selten konstruktiv auftreten, für eine faule Made gehalten werde, die nichts tut und dafür fürstlich entlohnt wird. Dass mich Menschen jetzt beschimpfen und beleidigen, weil ich eine Grüne bin. Und erst recht nicht darüber, dass sich Leute, die sich früher wegen meiner Ehrenämter gern mit mir haben fotografieren lassen, jetzt nicht einmal mehr zu einer Begrüßung durchringen lassen. Ist ja ein selbstgewähltes Schicksal.

 

Trotzdem ein kleiner Exkurs zur Transparenz:

Es sind exakt 220 Euro pro Monat, die ich als Aufwandsentschädigung für mein politisches Amt in Haspe bekomme; außerdem weitere 220 Euro, weil ich zur stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin gewählt wurde.

Von diesem Geld geht die Hälfte direkt an meine Partei ab.

  • An jedem Montag findet bei uns Grünen eine Fraktionssitzung statt, die im Schnitt zweieinhalb Stunden dauert.
  • Etwa drei Stunden brauche ich im Schnitt für meine BV-Vorbereitung, die Sitzungen finden etwa alle sechs Wochen statt.
  • Pro Woche telefoniere oder schreibe ich etwa zwei Stunden mit anderen Politiker*innen.
  • In den Sitzungswochen gibt es eine Abstimmung mit den Allianzpartnern, im Schnitt würde ich dafür mal eineinhalb bis zwei Stunden ansetzen.
  • Wenn ich eigene Anfragen einbringen will, kommt die Zeit für Recherche, Formulieren und Abstimmung noch obendrauf.
  • Ich habe einen Vollzeit-Job, mehrere andere Ehrenämter und ich versuche meiner Familie und meinen Freund*innen nicht völlig fremd zu werden.
  • Und weil ich mir vorgenommen habe, möglichst transparent zu arbeiten, produziere ich „Nikis Notizen“ – was pro Sitzung auch nochmal drei bis vier Stunden dauert.

Entscheidet gerne selbst, ob 220 Euro  – aus denen ich auch alle meine Ausgaben bezahle, die im Zusammenhang mit dem Mandat entstehen – dafür üppig sind.

 

Fotohinweis: Das kleine Foto mit dem LKW stammt von Rainer Krimme, Hagen Aktiv. Er ist ein wirklich ganz fleißiger Mensch, der viele Stunden pro Woche im Bezirk unterwegs ist und versucht, Probleme der Bürgerinnen und Bürger aufzudecken.

 

 

 

 

 

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