BV Haspe – Bericht vom 22. April 2021

Donnerstag, 22. April 2021

Erstaunlich emotional ging es in der dritten Sitzung der Bezirksvertretung Haspe in der Legislaturperiode zu – und dabei war der Anteil der teilnehmenden Frauen, denen man ja gerne Emotionalität nachsagt, ziemlich gering. Genauer gesagt war ich, nach Krankmeldung der beiden CDU-Kolleginnen, das einzige anwesende weibliche Mitglied des Gremiums (an dieser Stelle: Gute Besserung, Heike und Heike!). Soviel zur Quote.

 

Beim Blick auf die Tagesordnung hätte man als GRÜNE noch frohlocken können. Radwege, Fußgängerüberwege, Tempo-30-Zonen zum Schutz von Kindern, und sogar ein Pilotprojekt zur Erprobung von E-Tretrollern ausgerechnet in Haspe. Doch je länger die Sitzung dauerte (und sie dauerte. Stunde um Stunde um Stunde. Am Ende waren es mehr als vier), desto klarer wurde: Die Verkehrswende hat es schwer in Haspe. Vielleicht auch deshalb, weil überwiegend Autofahrer und Freizeit-Radler zu entscheiden haben.

 

Dipl.-Ing. Winkler, oberster Verkehrsplaner der Verwaltung, brachte es irgendwann auf den Punkt: „Radplanung macht in dieser Stadt keinen Spaß. Seit Verabschiedung des Radverkehrskonzeptes bekommen wir einen Vorschlag nach dem anderen um die Ohren gehauen…“ In der Tat. Außer Papier, aus dem mit einer Prioritätenliste gerade neues Papier entsteht, ist seit 2018 nicht viel Verbesserung für den Alltagsradler in die Tat entstanden. Trotzdem sieht Alt-Bürgermeister Dietmar Thieser die Entwicklung auf einem „guten Weg“. Der Mann hat Humor.

 

Dass Hagen nicht Münster ist, hören wir Radfahrer*innen ja oft. Der zentrale Unterschied scheint mir aber nicht in der Topografie zu liegen – sondern in der beharrlichen Weigerung, den Radfahrenden als gleichwertigen Verkehrsteilnehmer anzuerkennen. Wir erinnern uns: Als ein PopUp-Radweg in Haspe im September/Oktober 2020 ganze drei (!!!) Wochen lang die Rechte der Autofahrer beschneiden sollte, war der Aufschrei gigantisch (und vermutlich bis Münster zu hören). Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass es mit dem Ennepe-Radweg ja bereits einen tollen Radweg gäbe – und nach nicht einmal einer Woche hatte sich die wütende Autofahrer-Lobby durchgesetzt. Der PopUp-Radweg wurde entfernt.

 

Nun haben sich die Verkehrsplaner mutig ans Werk gemacht, diesen doch scheinbar anerkannten Radweg (den sich die Zweiradfahrer übrigens mit den Fußgängern teilen) durch den Ennepepark aufzuwerten – indem sie auf einer (!) der Straßen, die den Radweg unterbrechen (An der Kohlenbahn), dem Autofahrer die Vorfahrt nehmen und sie – zum Schutz der Radfahrer – zum Tempodrosseln bringen wollen. Ein ungeheuerlicher Vorgang – und so forderten die erschrockenen Autofahrer im Februar erstmal einen Ortstermin sowie eine zweite Lesung. Sowas kann mal ja nicht einfach so beschließen… Vor Ort schien es Einigkeit zu geben – nur der anwesende CDU-Vertreter, der immerhin Radfahrer KENNT, wollte dem Projekt nicht zustimmen – aus Sorge um deren Unversehrtheit.

 

In der gestrigen Sitzung waren sich dann aber plötzlich CDU, SPD und AfD doch einig: Eine Straße, auf der Autofahrer dem Radfahrer Vorfahrt gewähren müssen? Geht gar nicht.

Ein paar Argumente? Bitte sehr:

  • „…diese Straße hat sich als Schleichweg etabliert und wird darum von sehr vielen als Weg ins und durchs Gewerbegebiet genutzt…“
  • „…ich fahre da jeden Tag 20 Mal her. Da werden die Fußgänger fast totgefahren…“
  • „…die Gefahr ist viel zu groß…“
  • „…wir setzen die Radfahrer einer Gefahr aus…“
  • Und (Mein Lieblingszitat): „Die Radfahrer sind eine Minderheit, für die wir so viel Geld ausgeben…“
  • Schließlich sei das Fahrrad „…Kein Verkehrsmittel, sondern für den Freizeitbereich gedacht…“
  • Auch ein anwesender Polizist, der durch den Vorschlag eines anwesenden Ratsmitglieds Rederecht bekommt, hält den Vorschlag für „absurd“.
  • Und der Alt-Bürgermeister hat wieder das große Ganze im Blick: „Die Rechte der Autofahrer kann man nicht von heute auf morgen beschneiden…“ Immerhin will er dem Radverkehr „in Zukunft größere Bedeutung beimessen.“ Wohlgemerkt: In der Zukunft. Nicht jetzt.

 

Ausblick. Weil die beiden CDU-Frauen noch keine Gelegenheit hatten, das ganze Ausmaß der Apokalypse in Augenschein zu nehmen, wurde die Entscheidung vertagt. Vielleicht fällt dem ein oder anderen BV-Mitglied bei steigenden Temperaturen ja doch noch auf, dass es zunehmend mehr Radfahrer*innen in unserer Stadt gibt, und überdenkt seine Haltung noch mal. Aber vielleicht auch nicht – denn wie ja bereits in der Zeitung zu lesen war, gibt es einen Investor am alten Hasper Bahnhof, und der möchte seine Lkw gewiss auf direktem Wege zur Autobahn lenken. Da stört so ein Zone-30-Schild natürlich nur. Wenn Ihr also zukünftig An der Kohlenbahn Radfahrer stehen seht, die die Straße queren wollen – gebt Ihnen vielleicht etwas Wasser und ein Bütterken. Sie stehen vermutlich noch länger dort.

 

 

Die weiteren Tagesordnungspunkte beschreibe ich mal chronologisch:

Eine konkrete Anfrage zur Reinigung, Sicherung und Pflege der Radwege (TOP 4.2.) konnte noch nicht beantwortet werden. Immerhin gab es von Seiten der Verwaltung die Feststellung „Radwege sind momentan nicht im Plan der Straßenreinigung erfasst“. In der nächsten Sitzung soll es eine Antwort geben – und dann vielleicht auch einen Plan, wie oft und durch wen Scherben, Hundekot, Laub und Schnee von Radwegen verschwinden. Bericht folgt.

 

Leichter schien es da zu sein, einen Plan, der es eh schwer mit der Umsetzung hat, noch um weitere Wünsche zu ergänzen: Die SPD möchte einen möglichen Ausbau des bestehenden Radweges entlang der Ennepe bis zum neuen Einkaufszentrum in Westerbauer in das Radwegekonzept aufnehmen lassen (TOP 5.1). Zur Erklärung: Im Radwegekonzept stehen schon heute allein für das Hasper Stadtgebiet 25 Einzelmaßnahmen, für die derzeit (also drei Jahre nach Verabschiedung des Papieres) eine Priorisierung erarbeitet wird. Wenn es die gibt, wird umgesetzt. Wenn Geld da ist. Also eher später. In der Diskussion wurde dann deutlich, dass ein Radweg entlang der Ennepe zwar auf dem Papier hübsch aussieht – aber schwer zu bauen ist, wenn einem die Grundstücke, über die er verlaufen soll, nicht gehören (oder wenn sie, doch dazu später, kontaminiert sind). Und so wurde – man ahnt es: Prüfung angeordnet und verschoben.

 

Einen beleuchteten Fußgängerüberweg an der Büddingstraße (zum Schutz der Kinder, die die reaktivierte Grundschule besuchen – TOP 5.2) wird es nicht geben, weil dort Zone 30 ist (zum Schutz der Kinder?). Ich lerne: Zone 30 und Zebrastreifen oder Ampel schließen sich aus. Hm.

 

Kleiner Erfolg: Die Corbacher Straße darf von Radfahrern ab sofort in beide Richtungen befahren werden (Top 5.3.) und der Besitzer der Brandt-Brache soll dringend ermahnt werden, den Fuß- und Radweg entlang der Enneper Straße zu reinigen. Über das Slalomfahren rund um die Scherben hatte ich an anderer Stelle schon mal berichtet.

 

Unter Top 6.2 wurde dann mal ein anderes Thema mit viel Herzblut vorgestellt: Hans Christian Freier, Vorstandsvorsitzender des Fördervereins von Haus Harkorten, gerät ins Schwärmen, wenn er über das leider völlig vernachlässigte und heruntergekommene Rokoko-Herrenhaus berichtet, in dem die Menschen geboren wurden, denen Deutschlands Bürger*innen u.a. ihr Konto zu verdanken haben. Mitglieder der Familie Harkort waren Pioniere auf vielen verschiedenen Gebieten – das Gut zu retten, haben sich Förderverein und Denkmalschützer vorgenommen. Um weiteren Verfall zu verhindern, müsste nun erst einmal das Dach repariert werden. Fördermittel von Bund, Land und NRW-Stiftung sind bewilligt, wenn die Stadt Hagen einen Eigenanteil von 50.000 Euro aufbringt – aufgeteilt zwischen Stadt Hagen und Haspe, gestreckt über zwei Jahre. Die BV Haspe bringt je 10.000 Euro in 2021 und 2022 ein.

 

Die Geschichte des Gebäudes Nordstraße 14 (TOP 6.5) ist auch lang, aber weniger elegant. Nach der Insolvenz der Firma Gummi Becker im Jahr 2002 verfällt auch dieses Ensemble – leider ist das nicht nur ein optischer Schandfleck, sondern vor allem auch eine Umweltkatastrophe, denn bei der Gummi-Herstellung wurde früher offensichtlich nicht viel Wert auf Schutz des Bodens, des Grundwassers oder der vorbeifließenden Ennepe gelegt. Den juristischen Begriff „herrenlos“ kannte ich vorher nicht – zynisch gesagt muss man sich nur lange genug nicht um seinen Dreck kümmern, dann fällt der Besitz – samt Altlasten – irgendwann ans Land und die versucht es dann a) zu sanieren oder b) wieder loszuwerden. In diesem Fall hat die Stadt Hagen Grundstück und Gebäude in Westerbauer für scheinbar günstige 10.000 Euro gekauft – und kann jetzt sehen, woher das Geld kommt, um Schwermetalle und Giftstoffe loszuwerden, die so ebenfalls den Besitzer wechselten. Geplant ist, den „Verband für Flächenrecycling und Abfallbeseitigung“ (AAV) damit zu beauftragen – auch deshalb, damit entlang der Ennepe irgendwas entwickelt werden kann (zum Beispiel ein Radweg, siehe TOP 5.1.). Das Problem: Der AAV will einen Nachweis über Art und Umfang der Belastung – aber das städtische Umweltamt kann die erforderlichen 20 Probebohrungen nicht vornehmen, ohne dass ihnen wortwörtlich die Decke auf den Kopf fällt. Ergo muss man „gutes Geld schlechtem hinterherwerfen“, also erstmal sichern, und zwar schnell – im Herbst wird beim AAV über die Mittelvergabe entschieden. Sonst vergeht ein weiteres Jahr – und niemand weiß so genau, was in der Zwischenzeit eigentlich in die Ennepe tropft, wenn es regnet…

Beschluss: Der Antrag soll gestellt werden – und es soll einen weiteren Bericht geben…

 

Im TOP 7.1 ging es um die Neustrukturierung der Kinder- und Jugendbeteiligung in Hagen. Schade, dass wieder niemand aus dem Fachbereich Jugend und Soziales da war (auch den „Armutsbericht haben wir ja nur schriftlich bekommen). Ich hätte gerne nachgefragt, wie diese Beteiligung konkret aussehen soll. Vielleicht gibt es ja nach den Sommerferien… einen Bericht 😉

 

Dank TOP 7.2. können sich die Anwohner der oberen Voerder Straße freuen: Für schlappe 70.000 Euro spendiert die Stadt einen Parkstreifen. Bislang parken die Pkw-Besitzer aus den Häusern gegenüber halb-legal am Straßenrand. Nicht schön, so die einhellige Meinung – jetzt wird versiegelt und geordnet. Wie war das nochmal mit der „Minderheit, für die viel Geld ausgegeben wird“?

 

TOP 7.4. hat das Zeug, Volkes Seele in Wallung zu bringen. Um zu verhindern, dass unkontrolliert Verleiher von E-Tretrollern die Stadt heimsuchen, möchte man sich an der Volme (und zuvor an der Ennepe) mit einem Anbieter für eine Erprobungsphase zusammentun. Der Anbieter bringt die Roller mit, sorgt für ein (kostenpflichtiges) Verleihsystem und sammelt alle Roller ein, die in einem der heimischen Gewässer oder anderswo gelandet sind. Nach drei bis sechs Monaten soll es eine Auswertung geben. Ich sehe das Projekt eher kritisch, auch weil ich fürchte, dass Abstellflächen nicht bei den Pkw-Plätzen, sondern bei den Fahrradbügeln abgezweigt werden können – aber finanziell entsteht der Stadt kein Nachteil.

Kein Treppenwitz: Haspe wurde für das Pilotprojekt ausgewählt, weil wir hier so eine tolle (!) Fahrrad-Infrastruktur haben. Jau. Siehe oben.

 

Kinderspielplätze (TOP 7.6.), Bike+Ride (TOP 7.7.), den Bebauungsplan für die Berliner Straße (7.8) und ein Einzelhandelskonzept (7.9) überspringe ich, weil sie nur „zur Kenntnis“ genommen werden sollten. Die „Untere Naturschutzbehörde“ (TOP 7.10) muss noch ein bisschen an ihrer Transparenz arbeiten und auch die Baumpflegesatzung (TOP 7.11) und der Landschaftsplan, der „vereinfacht“ werden soll (TOP 7.12) werfen – zumindest bei mir – Fragen auf, die ich später mal beschreiben will.

 

Wer mehr über den öffentlichen Teil der Sitzung wissen möchte, kann mich gerne ansprechen oder anschreiben.

 

Kleine Bemerkung am Rande: Hat es einen besonderen Grund, dass auf jeden Genossen in der BV mindestens ein Besucher auf der Empore mit Parteibuch kommt? Ist das „Betreutes Regieren“, sind das Claqueure oder haben die Herren einfach nicht mitbekommen, dass pandemiebedingt das anschließende Herrengedeck ausfallen muss? 😉

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