BV Haspe – Bericht vom 29. September 2022

Samstag, 1. Oktober 2022

„Das Hasper Zentrum ist marode, dreckig, kleinkriminell, aber engagiert…“
Oder: „Wenn du ein Wunder brauchst, sei ein Wunder.“ (Philip C. McGraw)

Wer hätte gedacht, dass man so daneben liegen kann. Als die damalige NRW-Ministerin Ina Scharrenbach im November 2020 ein millionenschweres „Sofortprogamm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren“ verkündete, versprach sie: „Mit dem Sofortprogramm ermöglicht die Landesregierung den Städten und Gemeinden, rasch zu handeln, neue Wege zu gehen und Perspektiven zu entwickeln.“ Und die Westfalenpost titelte noch im Januar dieses Jahres: Hagen: Fördermittel sollen drei Stadtteilzentren neu beleben.  In einer Sondersitzung der BV Haspe zum Stand der Dinge berichten nun Ende September drei Vertreterinnen und ein Vertreter der beiden beauftragten Agenturen, StadtHandel (Dortmund) und Schneider+Straten (Düsseldorf), was bisher geschah. Danach fällt es schwer, noch optimistisch durch die Hasper Fußgängerzone zu schlendern. Mein – wie immer subjektiver – Bericht zur Sitzung passt in die frustrierende Großwetterlage.

 

Am Anfang steht wohl ein Missverständnis.

Wenn ein SOFORTprogramm aufgelegt wird, das RASCHes HANDELN erlauben soll – dann erwarten vermutlich die meisten von uns, dass in der Folge sofort und rasch gehandelt wird. Ich auch. Ein Irrtum, wie der geneigten Bezirksvertreterin schon wenige Minuten nach Beginn einer Präsentation dämmert, die unter dem Titel „Offline-Strategien. Anstoß eines Zentrenmanagements für die Innenstadt von Hagen-Haspe“ daherkommt und an der zunächst einmal das Datum auf dem Titelblatt wundert: Wenn dieser „Zwischenbericht vom 31.01.2022“ ist, wie der Titel verrät – warum dauert es acht (!!!) Monate, bis die zuständige Bezirksvertretung einen Blick darauf werfen kann?

Zurück zu der Frage, wie wohl die landläufige Definition von „sofort“, „rasch“ und „handeln“ sein mag. Denn obwohl sich Hagen erfolgreich um Mittel aus dem 40-Millionen-Euro-Topf beworben hat; obwohl davon ein insgesamt sechsstelliger (!) Betrag für die oben so vernichtend beschriebene Fußgängerzone in Haspe bewilligt wurde, und obwohl das Ende des Förderzeitraumes (Ende 2023 ist Schluss) immer näher rückt, gibt es außer bunten Bildern und einem weiteren Konzeptpapier wenig Greifbares. Und daran wird sich auch wenig ändern.

 

Den Innenstädten geht es schlecht. Haspe geht es sehr schlecht.

Das ist nicht erst seit Corona so, aber die Pandemie hat für inhabergeführte Einzelhändler, Gastronomen und Ketten noch einen draufgesetzt. In Haspe kommen neben allgemeinen Trends (die Fachleute sprechen von „attraktiven Konsum- und Erlebniswelten in Shopping Centern“, von „Fachmarktzentren“ und dem Online-Shopping als Konkurrenten für Tante Emma) noch ein paar spezifische hinzu: Das Zentrum in Westerbauer lockt Einkäufer*innen weg aus dem alten Hasper Ortskern; ausgerechnet in der FuZo ist der Anteil an Menschen in prekären Lebensverhältnissen besonders hoch, jeder Dritte hier ist arbeitslos. Das Kaufkraftniveau liegt in Gesamt-Haspe deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Und viele der Menschen, bei denen die Agenturen angeklopft haben, sind so frustriert, dass sie entweder gar nicht für Interviews bereitstanden – oder in so krassen Worten wie dem oben zitierten Schlüsselzitat Dampf ablassen.

 

Zentrumsmanagement und Verfügungsfond Anmietung

An dieser Stelle gilt es einmal kurz zu erklären, warum mit den Fördermitteln nichts für die Bürger*innen Sichtbares passiert. Hagen hat sich auf zwei verschiedene Bausteine beworben – und für Haspe laut Verwaltung 100.000 Euro für die Entwicklung eines so genannten „Zentrumsmanagement“ erhalten sowie weitere 95.000 Euro aus dem Verfügungsmittelfond.

 

Beginnen wir mit dem Zentrumsmanagement. Warum nicht die heimische Wirtschaftsförderung damit beauftragt werden darf – und das, obwohl die doch neuerdings mit hippen, urbanen Abteilungsnamen daherkommen (HAGEN.BUSINESS, HAGEN.MARKETING und HAGEN.AREAL), bleibt vermutlich ein Geheimnis des vorherigen NRW-Ministeriums. Eigenes Personal ist nicht förderfähig, weshalb sich eine Dortmunder und eine Düsseldorfer Agentur über insgesamt 100.000 Euro freuen dürfen.

Das ist nicht wenig Geld, aber auch nicht – gestreckt über drei Jahre – unanständig viel, und die vorgelegten „Offline-Strategien“ belegen, dass sie zumindest optisch ihre Hausaufgaben gemacht haben: In zahlreichen Grafiken und Diagrammen wird den Bezirksvertreter*innen präsentiert, warum die Innenstadt der 70-er und 80-er Jahre, an die sich viele Hasper*innen wehmütig erinnern, nicht mehr funktioniert. Anne Kraft, die einen Großteil der Zwischenergebnisse präsentiert, verweist zwar mehrmals darauf, dass die letztendlichen Empfehlungen erst Ende 2023 vorgelegt werden – doch man ahnt schon, worauf das hinausläuft. Ohne flankierende Maßnahmen, Steuerungen durch Politik und Verwaltung – und vor allem ein mittelgroßes Wunder – ist der große Wurf nicht zu erwarten. Bummeln und Erlebnis-Shoppen sind offensichtlich NICHT die Zukunft des Hasper Zentrums.

Unbeantwortet bleibt allerdings die Frage, warum keine Erfahrungen aus den durchweg positiv bewerteten „Hasper Lichtern“ gezogen werden. Warum nicht mit denen gesprochen wurde, die hier schon mal etwas bewegt haben. Und wie man das immer wieder genannte „hohe Maß an lokaler Identität“ praktisch nutzen soll, um die Innenstadt wiederzubeleben.

Und ob sich im Anschluss an den Förderzeitraum tatsächlich ein Zentrenmanagement erhebt, das nicht nur Worte, sondern auch Taten produziert, bleibt die spannende Frage.

 

Blicken wir auf den Verfügungsfond Anmietung.

95.000 Euro stehen zur Verfügung, die dabei helfen sollen, etwas gegen den Leerstand im Hasper Zentrum zu tun. Dass man dazu erst einmal wissen muss, wo und warum Leerstand ist, scheint logisch. Die Bestandsaufnahme ist wenig überraschend: In der eigentlichen Fußgängerzone stehen 36 Prozent der Geschäfte leer, mehr als jedes Dritte also. Im restlichen Haspe sind es nur 2,1 Prozent.

Aber:

  • Einige der Geschäfte, in denen schon lange keiner mehr einkauft, sollen gar nicht vermietet werden – weil sie vermutlich der Abschreibung dienen.
  • Die potentiellen Vermieter müssen, um förderfähig zu werden, auf einen gewissen Prozentsatz ihrer Mieten verzichten – aber die Bereitschaft dazu fehlt bei vielen. Warum auch immer.
  • Einige der Immobilien gehören Menschen, die seit Jahren und Jahrzehnten kein Geld mehr in die Erdgeschossräume gesteckt haben – und auch nicht bereit sind, zu sanieren. „Die Gebäude sind teilweise in desolatem Zustand…“ – nun ja, das überrascht die Mitglieder der BV Haspe nicht wirklich. Wir gehen schließlich mit offenen Augen durch unseren Stadtteil. Und welches Startup-Unternehmen soll 150.000 Euro in die Hand nehmen, um erstmal eine Heizungsanlage einzubauen???
  • Wieder andere Ladenlokale sind zwar vermietet – aber das Angebot dient nicht NUR dem Kunden. Man muss kein Kenner der Szene sein, um zu ahnen, dass Haspe zwar schon seit einiger Zeit keine Chemische Reinigung mehr hat, dass aber in so manchem Geschäft anderes gewaschen wird als Haare und Teller…

 

Trotzdem hat Schneider+Straten nach eigener Auskunft „eine große Marketing-Kampagne“ gestartet – an deren bisherigen Ende ernüchternde sechs (!) Anfragen, aber keine einzige erfolgreiche Vermittlung stand. Bundesweite Ketten, inhabergeführte Geschäfte oder Existenzgründer – offenbar will keiner nach Haspe.

Ein Workshop, zu dem niemand kam, Politiker*innen, die viel zu spät ins Boot geholt werden, und eine ratlose Verwaltung. Ob deshalb wohl „Offline-Strategien“ über dem Zwischenbericht steht? Sind die Lichter schon aus? Ein bisschen was tut sich dennoch in nächster Zeit: KICK, ehemals gegenüber dem REAL beheimatet, zieht hinunter ins Zentrum (ehemals Michael Brücken) – dafür ist NDK neuer Mieter in der Vollbrinkstraße. Eine „attraktive Konsum- und Erlebniswelt“ entsteht dadurch sicher nicht.

Doch ob das Einkassieren der Autofreiheit in der Voerder Straße – es war ja zu erwarten, dass dieser Vorschlag schnell wieder im Raum steht – daran etwas ändern kann, bezweifele ich. Das Phänomen, fehlende Parkplätze für das trostlose Angebot verantwortlich machen zu wollen, gibt es auch anderswo. Mich überzeugt dieser Ansatz nicht.

 

Abschließend noch einmal zurück zu den Agenturen. Nach der Sitzung sehe ich die Berater*innen mit großen Augen die Voerder Straße entlanggehen. Ich kann es nicht beweisen – aber mir scheint, drei der vier sind zum ersten Mal vor Ort. Sie werden anschließend zurück nach Dortmund und Düsseldorf gereist sein – und besuchten dort vielleicht noch einen Feierabendmarkt oder freuen sich auf „Event-Shoppen“ auf der Kö am langen Wochenende.

Es ist ihnen nicht vorzuwerfen, dass sie nicht aus Haspe stammen. Und auch nicht, dass man sie ausgewählt hat, den Auftrag auszuführen. Aber wenn ich mal in die Nachbarstadt Gevelsberg schaue: Dort haben Gevelsberger Händler*innen und Gastronom*innen vor etwa 15 Jahren die Sache selbst in die Hand genommen. Weil ihnen was an ihrer Innenstadt liegt. Weil es sie betrifft. Weil sie lokales Wissen mitbringen – und so individuelle Ideen auf den Weg bringen und auch dranbleiben konnten. Wenn ich raten sollte, warum so etwas in Gevelsberg geklappt hat und in Haspe nicht: Dort gibt es eine funktionierende Werbegemeinschaft – und einen GEMEINSAMEN politischen Willen, etwas zu ändern. Davon sind wir in Haspe Lichtjahre entfernt. Der Blick von außen mag hilfreich sein, um Fehler im System zu erkennen – Änderungen müssen aber vielleicht doch die anstoßen und durchführen, die hier leben.

 

Fazit des Tages:

Gegen Frust und Resignation heute mal zwei Sprüche aus dem Glückskeks: „Habe Hoffnungen, aber habe niemals Erwartungen. Dann erlebst Du vielleicht ein Wunder, aber niemals Enttäuschungen.“ Oder, wie meine Freundin immer sagt: „Du musst Dir schon selber Konfetti in Dein Leben pusten!“

 

Nicole Schneidmüller-Gaiser

 

 

Ein Gedanke zu „BV Haspe – Bericht vom 29. September 2022

  • Oktober 1, 2022 um 9:22 am
    Permalink

    Erst einmal herzlichen Dank für diese ausführliche Beschreibung. Mich wundert nicht der (teure) Blick auf längst Bekanntes, recherchiert durch Telefonate, weniger vor Ort. Das lässt wenig Raum, das halbvolle Glas zu erkennen. Wunder erwarte ich nicht in diesem kurzen Stück Voerder Straße, schon gar nicht ein Shopping- oder Kaufzentrum. Die Einkäufe werden dort erledigt, wohin die Politik sie entwickelt hat – z.B. auf dem ehemaligen Brandt-Gelände
    Dennoch kann jeder in der schnell erreichbaren kleinen City mit überwiegend kostenlosen Parkflächen eine Aufenthaltsqualität finden, die z T. besser ist als z.B. in Gevelsberg. Platz zum Spielen und Eisessen oder für den Wochenmarkt, kleine Besorgungen und Hasper Treff. Mit schattigen Bäumen und Blumen, ganz so, wie wir es aus unseren Urlauben von der abendlich gut genutzte Piazza oder Piazzetta kennen. Mit nur wenigen Geschäften und Restaurants umgeben, die an immer heißer werdenden Tagen und Abenden mehr Aufenthalts- als Einkaufsort sind. Der Parkplatz am Brandgelände oder der bei Real ist wohl kaum dieser Ort.
    Eine Öffnung zur Durchfahrtsstraße würde das letzte Stück Aufenthaltsqualität in Haspe vernichten und zudem keine dieser Invest-scheuen und Abschreibungs-willigen Vermietungsgesellschaften anregen sich zu besinnen. Man kann die zugereisten Teile unserer Hasper City-Gesellschaft unangenehm empfinden, aber diese Bewohner*innen schätzen offenbar den „gewonnenen Lebensraum“. Ich habe kein Patentrezept in der Tasche, aber die bisherigen Investitionen der BV in die Verschönerung der FuZo sollten nicht umsonst gewesen sein. Sie sollten nur nicht ausschließlich als Impulse für eine Kaufkraftverstärkung in der FUZO betrachtet werden.

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